Um den Aspekt der Interaktion gerade von Jugendlichen zu verdeutlichen,
möchte ich auf ein verhältnismäßig einfaches und plausibles Entwicklungsschema
verweisen. Dieses beruht auf eine Dreiteilung des menschlichen Lebenszyklus.
Danach verändern wir unseren biologischen und sozialen Status zum ersten Mal,
wenn wir aus dem Säuglingsalter ins Kindesalter wechseln, dann wenn wir vom Kind
zum Erwachsenen werden und vom Erwachsenen schließlich dann zum Greisenalter
wechseln.
Jede Übergangszeit bringt Schwierigkeiten mit sich. Wir trauern darüber, daß wir
einen Teil der Errungenschaften der abgelaufenen Lebensphase verlieren. Wir sind
unsicher, wie weit wir den Anforderungen der neuen Lebensphase gewachsen sind
und ob wir all das lernen können, was wir brauchen, um mit den neuen
Gegebenheiten fertig zu werden. In jeder Übergangsphase erleben wir einen
Konflikt zwischen inneren und äußeren Anstößen.
Für Kinder ist diese Übergangsphase besonders bedrohlich, weil sie in im
Jugendalter erstmals bewußt damit beginnen, das ganze Potential ihres eigenen
Selbst zu entdecken und zu definieren, ohne daß sie auf ein bereits bekanntes
und sozusagen bewährtes Selbst zurückgreifen können, wie es der Erwachsene in
späteren Krisenzeiten tun kann.
Insbesondere ist es für die Jugendlichen belastend, daß sie ihr Selbstwertgefühl
nicht mehr in erster Linie davon ableiten können, das sie die Kinder Erwachsener
und damit kompetenter Eltern sind. Sie müssen die Tatsache verarbeiten, daß der
Übergangsstatus des Jugendlichen erlebnismäßig weniger wertvoll ist als der des
Kindes.
Sie partizipieren nämlich nicht mehr uneingeschränkt am sozialen Prestige der
Eltern und sind ungewiß, ob sie es tatsächlich einmal schaffen werden, als
Erwachsener das Leben zu meistern.
Kein Jugendlicher hat die objektive Sicherheit und die Garantie dafür, daß er
die Segnungen des Erwachsenen - Status einmal genießen wird.
Die daraus entstehende Angst erlebt der Jugendliche oft genug als unangenehm,
andererseits dient sie als „Stachel im Fleisch“, dazuzulernen und den
schwierigen Weg einer langen Entwicklung fortzusetzen.
Das Dilemma des Jugendlichen kann man pointiert so ausdrücken:
Er strebt in erster Linie danach, ein Erwachsener zu werden und in zweiter Linie
danach, ein Jugendlicher zu sein.
In Blick auf sich selbst steht der Heranwachsende vor folgenden Aufgaben:
Er muß eine größere Unabhängigkeit des eigenen Willens entwickeln. Dazu
gehört, daß er lernt, selbständig zu planen und Entscheidungen zu treffen, daß
er seine Wertvorstellungen überprüft und erweitert und sie in Beziehung setzt zu
wichtigen Lebensziele; daß er neben den Eltern neue Quellen persönlicher
Anerkennung findet; das er sich realistische Lern- und Arbeitsziele setzt; das
er lernt Frustrationen besser auszuhalten und die vielen Widersprüche in der
eigenen Lebenssituation zu akzeptieren, das er sich selbstkritisch beurteilen
kann und einschätzen kann, daß er auf besondere Nachsicht, die Kindern gegenüber
gewährt wird, nach und nach verzichten kann.
Der Jugendliche muß die Bereitschaft entwickeln, Schritt für Schritt erwachsen
zu werden und Selbstvertrauen auf der Basis zunehmenden Respekts vor dem eigenen
Potential aufzubauen.
Er muß langfristige Lebens- und Berufsziele ins Auge fassen lernen.
Er muß unabhängiger handeln auf der Grundlage eigener Urteile und eigener
moralischer Verantwortung.
( Vergl. K. W. Vopel, Interaktionsspiele für Jugendliche, Salzhausen, 1997,
Seite I X ff. )
Für alle Erwachsenen, die mit Kinder und Jugendliche arbeiten, ist es wichtig,
sich klarzumachen, daß diese Entwicklungsprozesse nicht von selbst stattfinden,
sondern daß spezifische Ansprüche wichtiger Bezugspersonen und der kulturellen
Umwelt erforderlich sind.
Für die sozialpädagogische Arbeit eröffnet sich darin ein weites Feld kreative
Möglichkeiten anzubieten und Hilfestellung zum Erlernen eigener Kreativität zu
geben.
Oft ist es der Jugendliche selbst, der mit ersten Kritzeleien am Buchrand sich
ausprobiert, dann später kleine selbst gestaltete Flugblättchen in der Klasse
oder in seinem häuslichen Umfeld herumreicht.
Speziell die Pop-Kultur der achtziger Jahre, insbesondere die Graffiti-Kunst hat
Kinder und Jugendliche zum Erfinden eigener Muster, Schriften, Ornamente und
Zeichen angeregt !
Solche Gestaltungen sollten als Angebote der von den Kindern und Jugendlichen
selbst bestimmten und in Gang gebrachten ästhetischen Prozesse aufgegriffen
werden und in der Freizeit, durch die Arbeit der Sozialarbeiter/
Sozialpädagogen, entsprechend Raum, Material und Unterstützung erfahren.
In vielen Einrichtungen wird dies schon entsprechend berücksichtigt, bleibt
jedoch dem „Zeitgeist- Denken zu sehr verpflichtet.
Das Kunstpädagogische und das Kreative beweist sich aber gerade darin (wie
zurückliegend aufgezeigt), das es sich nicht nur des Bekannten und Etablierten
bedient , sondern selbst neue ungewöhnliche Lösungen findet.
Dabei ist auch vermittelbar, das gerade die Kunst und die künstlerische
Auseinandersetzung der Weg ist, der zur Selbsterkenntnis und Selbsterfahrung
führt.
Das kann durch Vermittlung kreativer und gestalterischer Techniken ( siehe
nachfolgenden Abschnitt ) erfolgen und durch unmittelbaren Kontakt mit
Künstlern, deren Kunst und dem gegenseitigen Austausch darüber.
Kreatives Schaffen und Kunst birgt in sich jede Menge Potential um Interaktion
zwischen Personen, Personengruppen sowie zwischen dem Einzelnen und seiner
Umwelt stattfinden zu lassen. Dies in Gang zu setzen und in Bewegung zu halten,
die kreativen Kräfte des Kindes und des Jugendlichen zu mobilisieren um das „ihm
eigene innere Chaos in eine ihm eigene Ordnung zu bringen“, ist die Chance in
der sozialen Arbeit.